Ein neuer Tarifkonflikt spitzt sich zu: Am 21. April legte ein bundesweiter Warnstreik den Schienenverkehr lahm. Neue Zahlen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigen jetzt: Die Gewerkschaften treten in diesem Jahr deutlich aggressiver auf als zuvor – ein Ende ist nicht absehbar.

Zwischen 3:00 und 11:00 Uhr ging auf den Schienen nichts mehr: Mit einem bundesweiten Warnstreik legte die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) am 21. April den Regional- und Fernverkehr still. Zudem wurden erneut mehrere Flughäfen bestreikt. Es waren nicht die erste Arbeitsniederlegungen in diesem Jahr. Neue IW-Zahlen zeigen jetzt: Die Gewerkschaften sind 2023 deutlich konfliktfreudiger als zuletzt. Mithilfe von sogenannten Konfliktpunkten messen die IW-Tarifexperten, inwiefern die Verhandlungen eskalieren. Zwischen Januar und März ergab sich ein Wert von 8,9 Konfliktpunkten, im vergangenen Jahr waren es nur 5,3. 

Zudem treiben die Arbeitnehmervertreter die Konflikte immer weiter auf die Spitze. 2023 lag die durchschnittliche maximale Eskalationsstufe – hierbei wird anhand einer Stufenskala von 0 bis 7 gemessen, wie weit Tarifkonflikte eskalieren – bei 2,6 Punkten, im Vorjahr waren es nur 1,9 gewesen.  Vor allem in zwei Branchen gingen die Konflikte deutlich über das übliche Maß hinaus: Im öffentlichen Dienst kam es nach dem Scheitern der Verhandlungen zu einer Schlichtung (Stufe 5), über deren Ergebnisse gerade verhandelt wird. Bei der Deutschen Post einigten sich die Tarifparteien nach Warnstreiks und einer Urabstimmung (Stufe 6).

Höhere Werte im Jahresverlauf erwartet

„Wegen der noch anstehenden Tarifverhandlungen, beispielsweise im Großhandel, im Einzelhandel oder in der Süßwarenindustrie, rechnen wir für das Gesamtjahr 2023 mit einem weiteren Anstieg der Konfliktintensität“, sagt IW-Tarifexperte Hagen Lesch. Manche Konflikte, wie bei der Bahn, schwelten auch noch weiter.

In den vergangenen Jahren habe man auch schon höhere Werte erlebt. Die jetzige Streikwelle fände aber unter besonders schwierigen Rahmenbedingungen statt: „Durch die Pandemie und den Krieg in der Ukraine sind die Reallöhne drei Jahre lang gesunken, gleichzeitig hat sich die Konjunktur deutlich abgekühlt. Das sorgt für Spannungen zwischen den Tarifparteien“, so Hagen Lesch. Da die hohe Inflation nicht nur Verbraucher, sondern auch Unternehmen träfe, müssten die Gewerkschaften die Balance wahren. „Zudem dürften auch sie kein Interesse haben, die Lohn-Preis-Spirale anzutreiben und in einen Konflikt mit der Europäischen Zentralbank zu geraten.“

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.
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