Die Industrie spart so viel Gas wie nie zuvor, der bisher milde Winter hilft ebenfalls, eine Notlage zu vermeiden. Um den Umstieg von Gas zu beschleunigen, braucht es Unterstützung, beispielsweise schlankere Genehmigungsverfahren für neue Anlagen. Nicht hilfreich sind dagegen Studien, die wesentliche Abläufe in Produktionsprozessen ignorieren.

Die deutsche Industrie ist seit Monaten Spitzenreiter, wenn es ums Gassparen geht: So meldet die Bundesnetzagentur im Oktober einen Rückgang des Verbrauchs um 27,4 Prozent, als Vergleichsgröße dienen die Durchschnittswerte von 2018 bis 2021. Im September wurden 19,1 Prozent eingespart, im August 21,5 Prozent – die Rückgänge sind erheblich. Durch den bisher sehr milden Winter sind die Gasspeicher entsprechend gut gefüllt, die Sorgen vor einer Mangellage etwas kleiner als noch im Sommer.

Anreize helfen beim Gassparen, Bürokratie stört

Schon allein die hohen Preise sorgen dafür, dass knappe Ressourcen möglichst sparsam genutzt werden. Wo sich wie am besten Gas sparen lässt, wissen Betroffene meist am besten, das gilt für Haushalte ebenso wie für Industrieunternehmen. Hilfreich für diesen Prozess ist vor allem Unterstützung, um den sogenannten Fuel-Switch zu erleichtern – also den langfristigen Umstieg von Gas auf nachhaltigere, günstigere und sicherere Energieträger wie grünen Strom oder Wasserstoff. Dafür braucht es beispielsweise schlankere Planungs- und Genehmigungsverfahren und weniger Bürokratie. 

IWH-Studie ignoriert Produktionsabläufe 

Wenig hilfreich sind dagegen Studien, die etwaige Einspareffekte beziffern, ohne die Komplexität von Produkten und Wertschöpfungsketten angemessen abzubilden, so wie die kürzlich erschienene Publikation des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Die Studie betrachtet ausschließlich die Produktebene, während produktionstechnische Zusammenhänge, Kuppelproduktion und Lieferkettenabhängigkeiten nicht berücksichtigt wurden. Es wurde also unter anderem missachtet, dass an vielen Chemiestandorten Produktionsprozesse eng verzahnt sind und nicht losgelöst voneinander betrachtet werden können. Ein Beispiel ist Ammoniak: Die chemische Verbindung wird auf Basis von Erdgas hergestellt, in der Produktion fällt CO₂ als Nebenprodukt an. Dieses CO₂ ist ein wichtiger Rohstoff für die Lebensmittelindustrie sowie ein unerlässlicher Ausgangspunkt für Folgeprodukte wie Adblue. Würde Ammoniak importiert – um den deutschen Erdgasverbrauch weiter zu senken – müssten auch die Koppelprodukte eingeführt werden, beide sind jetzt schon knapp. Nur wenn solche komplexen Zusammenhänge in Gänze betrachtet werden, können belastbare Aussagen getroffen werden. 

Quelle: Institut der Deutschen Wirtschaft
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