Seit 2010 befasst sich ein Team um den Düsseldorfer Betriebswirt Prof. Dr. Stefan Süß mit der flexiblen Gestaltung von Arbeit. Das Thema hat durch die umfassende Erweiterung der Homeoffice-Nutzung während der Corona-Pandemie erheblich an Relevanz gewonnen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil forderte mehrfach sogar ein Recht auf Homeoffice. Eine aktuelle Studie der Düsseldorfer Forscher verdeutlicht signifikante und robuste Zusammenhänge: Diese zeigen sich zum einen zwischen der Nutzung des Homeoffice und der von den Beschäftigten wahrgenommen Produktivität. Zum anderen werden sie in Bezug auf die Nutzung des Homeoffice und Konflikte zwischen Arbeit und Privatleben deutlich.

„Wie einzelne Beschäftigte die Arbeit von zu Hause aus empfinden, hängt maßgeblich von der privaten Situation ab, zum Beispiel vom Alter der Beschäftigten, ihren Betreuungspflichten gegenüber Kindern und ihrer empfundenen sozialen Isolation durch das Homeoffice“, so Professor Süß. Die aktuelle Studie macht deutlich, dass die Betreuung von Kindern den empfundenen Konflikt zwischen Arbeit und Privatleben am stärksten prägt. Umgekehrt sinkt er mit zunehmendem Alter der Befragten. Auch Führungsverantwortung und eine gefühlte soziale Isolation verstärken den wahrgenommenen Konflikt. „Insgesamt macht das deutlich, dass eine Doppelbelastung, zu Hause zu arbeiten und gleichzeitig Kinder zu betreuen, eine Situation ist, die die Beschäftigten nicht langfristig tragen können“, so Süß. Denn dies führt sowohl zu einer starken individuellen Belastung als auch zu der für die Arbeitgeber problematischen Situation, dass damit ein Rückgang der von den Beschäftigten selbst empfundenen Produktivität verbunden sein kann.

Prof. Dr. Stefan Süß

„In unserer Studie gaben die Beschäftigten im Durchschnitt einen selbst empfundenen Rückgang um rund 10 % im Vergleich zur sonst üblichen Arbeitssituation an. Ich gehe davon aus, dass dieser faktisch größer sein wird, das aber verständlicherweise ungern zugegeben wird“ so Süß. Neben der privaten Situation wird der Rückgang der Produktivität allerdings auch davon geprägt, dass viele Personen keinen adäquaten Homeoffice-Arbeitsplatz oder aus der Arbeitssituation vor Corona geringe Erfahrungen mit dem Homeoffice haben und daher mit der ungewohnten Situation überfordert sein könnten. Auffällig ist, dass die Produktivitätseinschätzung bei solchen Personen steigt, die besonders technologieaffin sind oder Führungsverantwortung tragen. Letzteres sei entweder auf eine stärkere Selbstausbeutung dieser Gruppe zurückzuführen oder drauf, dass durch das Homeoffice Meetings und soziale Kontakte entfallen, die Führungskräfte ansonsten stark beanspruchen, so Studienleiter Süß.

„Wenn es ein Recht auf Homeoffice geben soll, wie es Bundesarbeitsminister Heil fordert, muss damit auch verbunden sein, dass Arbeitnehmer zu Hause adäquate Arbeitsbedingungen haben. Wichtig ist die Freiwilligkeit des Homeoffice, denn wenn Beschäftigte Arbeit und Privatleben eigentlich gerne trennen möchten, wirkt erzwungenes Homeoffice stress- und konfliktverstärkend“ berichtet Professor Süß. „Die aktuelle Situation ist eine Sondersituation. Eine Rückkehr zu einer bestenfalls freiwilligen Wahl eines so oder so angemessen gestalteten Arbeitsortes ist allerdings mit Blick auf die Beschäftigten und die Produktivität der Unternehmen sehr wünschenswert“. Außerdem sind Schätzungen zur Folge nur rund 40 % aller Tätigkeiten generell aus dem Homeoffice darstellbar, so dass man eine Zweiklassengesellschaft in Unternehmen vermeiden muss, in der Höherqualifizierte und Besserverdienende im Homeoffice arbeiten und andere nicht.

Vorgehensweise der Studie

Die Studie fand zwischen dem 07.04.2020 und dem 09.05.2020 statt. Es wurden mittels verschiedener Organisationen 1.027 Teilnehmer befragt, die aus unterschiedlichen Branchen stammen. Der öffentliche Dienst ist dabei stärker vertreten gewesen als Privatunternehmen. Die Probanden wurden gebeten, Einschätzungen über die Arbeitssituation vor Corona abzugeben und Fragen zu ihrer aktuellen Situation im Homeoffice während der Corona-Pandemie zu beantworten.

Quelle: Heinrich-Heine-Universität
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