Paradebeispiel für gelebten Kulturwandel

Das Feedback der Mitarbeiter für ihren Chef Bodo Janssen war niederschmetternd. In einer Mitarbeiterbefragung bekam der Erbe der Hotelkette Upstalsboom 2010 die Quittung für seinen rein zahlengetriebenen Führungsstil. Die komplette Belegschaft strafte ihn ab und verlangte einen anderen Chef. Wie er damit umging, was für ihn Wertschöpfung durch Wertschätzung bedeutet und welche schwerwiegenden Ereignisse ihn geprägt haben, erzählte Bestseller-Autor und Unternehmer Bodo Janssen als Gastreferent im Wirtschaftsclub Düsseldorf.

Janssen ist dankbar für sein Leben, seine Freiheit und für die Möglichkeit des Neuanfangs. Denn im Alter von 24 Jahren wurde er entführt. Acht Tage hielten ihn die Kidnapper gefangen bis ein Sondereinsatz-Kommando ihn befreien konnte.

Nach dem Tod seines Vaters bei einem Flugzeugabsturz 2005 stand Janssen plötzlich an der Spitze der familieneigenen Hotelkette Upstalsboom. Bis zu der Mitarbeiterbefragung 2010 war er überzeugt ein erfolgreicher Unternehmer zu sein. „Das Ergebnis der Befragung stürzte mich in eine Krise. Ich hätte das Unternehmen am liebsten zurückgegeben – aber mein Vater war ja tot. Ich wusste, dass ich etwas verändern muss. Und wenn ich etwas verändern will, dann muss ich bei mir selbst anfangen“, so der 45-jährige.

Rückzug ins Kloster

Bodo Janssen begann radikal umzudenken und ging, anstatt Führungskräfte Seminare zu besuchen, ins Kloster, in die Abtei Münsterschwarzach zu Pater Anselm Grün. Seine wichtigste Erkenntnis dort: nur wer sich selbst führen kann, kann auch andere führen. „Aber wie geht Selbstführung? Ich habe gelernt, dass man Antworten auf die Fragen braucht, die einem als Mensch wichtig sind. Aus den Antworten habe ich mein persönliches Leitbild formuliert“, erklärt Janssen. „Das hat mich freier gemacht, unabhängiger von der Meinung anderer. Zuvor habe ich mein Handeln zu sehr an den Erwartungen anderer ausgerichtet. Was sagt der Markt? Wie stark wachsen wir? Wie anerkannt sind wir? Davon habe ich mich befreit.“

Nach seiner Zeit im Kloster leitete er einen Paradigmenwechsel in seinem Unternehmen ein und entwickelte völlig neue Formen der Führung. Bodo Janssens Ziel ist es inzwischen nicht mehr, immer mehr Betten zu belegen, sondern Menschen zu stärken. „Meine Aufgabe ist es, ihr physisches, psychisches und soziales Wohlbefinden zu fördern, so dass sie ihr volles Potential entfalten und sich für das einsetzen können, was ihnen persönlich wichtig ist. Denn Menschen, die den Sinn ihres Tuns für sich erkannt haben, schöpfen daraus inneren Halt, auch wenn sich die äußeren Umstände ändern. Sie setzen sich eigene Ziele, statt diese von außen zu erwarten.“ Das bedeutet für den Unternehmer auch, gewohnte Abläufe und Denkweisen zu hinterfragen. Es gibt keine Uniformen, die Mitarbeiter bestimmen selbst, was sie bei der Arbeit tragen. Jeder Mitarbeiter trägt Verantwortung für seinen Bereich und trifft eigenständige Entscheidungen. Alle springen aber auch unabhängig von ihrer Rolle ein, wo gerade etwas zu tun ist. Das kann dazu führen, dass in Notfällen auch schon mal der Hoteldirektor beim Abziehen der Betten hilft. Die Kollegen lernen voneinander, unabhängig von Hierarchien und Rollen.

Wirtschaftlicher Erfolg durch Wertschätzung

Durch den konsequenten Bruch mit alten Managementstrukturen ist die Hotelkette heute ein Paradebeispiel für gelebten Kulturwandel. Die Wertschätzung der Mitarbeiter führte nicht nur zur persönlichen Erfüllung, sondern auch zu wirtschaftlichem Erfolg. „Wir haben jetzt eine ganz andere Firmenkultur, ohne Macht, Druck und Kontrolle. Die Zufriedenheit ist seit damals um mehr als 80 Prozent gestiegen, die Mitarbeiter sind deutlich seltener krank, wir bekommen fünfmal so viele Bewerbungen und haben den Umsatz mehr als verdoppelt“, beschreibt Janssen.  „Wirtschaftlichkeit ist die Basis unserer Existenz, aber nicht der Sinn unseres Handelns. Wir möchten unseren Mitarbeitern jeden Tag die Möglichkeit bieten zu wachsen. Der wirtschaftliche Erfolg kommt dann von selbst.“  Wesentliche Teile seines Unternehmens hat er inzwischen in eine gemeinnützige Stiftung umgewandelt.

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