(v.l.n.r.) Dr.Karl Hans Arnold (Vorsitzender der Geschäftsführung Rheinische Post Mediengruppe), Oberbürgermeister Thomas Geisel, Stiftungsgründer Josef Klüh, Preisträger Prof.Dr. Hans-Werner Müller sowie Prof.Coordt von Mannstein (Vorsitzender Beirat Klüh Stiftung).

Preis der Klüh Stiftung für Prof. Dr. Hans Werner Müller

Bereits seit 30 Jahren beschäftigt sich Prof. Dr. Hans Werner Müller mit der Erforschung von Therapiemöglichkeiten von schweren Rückenmarkverletzungen. Jetzt erhielt er den mit 25.000 Euro dotierten Förderpreis der Klüh Stiftung.

„Ich fühle mich durch den Preis der Klüh Stiftung sehr geehrt und bin sehr dankbar für die Anerkennung meiner wissenschaftlichen Leistungen, und ganz wichtig, die meiner exzellenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“ Eigentlich ist Prof. Müller von Haus aus Biologe und Chemiker. Nach seiner Promotion 1978 kam er mit der Neurobiologie in Kontakt – und sie hat ihn nicht mehr losgelassen. Besonders prägend war ein Erlebnis an der Stanford University, wo er 1982 seine zweite Postdoktoranden-Zeit absolvierte. „Ich kann mich noch sehr gut an den Tag erinnern. Es war schönes Wetter und das Atrium der beeindruckenden Stanford Bibliothek war lichtdurchflutet. Ich fand die Publikation einer kanadischen Forschergruppe, die herausgefunden hatte, dass eine Regeneration der Nervenfasern bei Verletzungen des Rückenmarks grundsätzlich möglich sei. Bis dahin galt es als erwiesen, dass es keine Regeneration im verletzten Zentralnervensystem gibt. Man wusste zwar nicht, warum es nicht geht, aber alle, die zuvor versucht hatten, das Gegenteil zu beweisen, sind gescheitert. In dieses Feld ist keiner mehr reingegangen und jetzt gab es plötzlich diese fantastische neue Erkenntnis“, erinnert sich der Leiter der Forschungsgruppe für Molekulare Neurobiologie an der Neurologischen Klinik der Heinrich-Heine-Universität (HHU) Düsseldorf.

Und so nahm die Forschung in diesem Bereich Anfang der 1980er Jahre richtig Fahrt auf. Der ursprünglichen Euphorie wich einige Zeit später Ernüchterung, denn es ging in kleineren Schritten voran als erwartet.

 Verschiedene Therapieansätze

Wir haben in den letzten Jahren vier experimentelle Therapiemöglichkeiten erforscht“, erklärt Prof. Müller. „Mit der Unterdrückung der Narbenbildung konnte ein kleiner Teilerfolg erzielt werden. Denn Narben verhindern die Regeneration der Nervenfasern. Besser als erwartet verlief das Einsetzen von Stammzellen aus Nabelschnurblut. Das ist ethisch unbedenklich und bei akuten Verletzungen gab es reproduzierbare und positive Ergebnisse.“ Für die Forscher überraschend gut verliefen Experimente mit Polyethylenglycol (PEG 600), das an Ratten getestet wurde. Hierzu wurde bei einer kompletten Durchtrennung der Nervenfasern das vernarbte Gewebe im Rückenmark entfernt und der entstandene Hohlraum mit PEG aufgefüllt. „Bewegung war durch dieses Verfahren, das auf chronische Verletzungen abzielt, wieder möglich. Auf einer Skala von 0 bis 21, wobei 21 eine gesunde Beweglichkeit kennzeichnet, konnten wir Level 9 erreichen. Alle anderen Versuche zuvor sind über das 7. Level nicht hinausgekommen. Das war ein erster großer Fortschritt.“

Als besonders vielversprechend erweist sich überraschend bei frischen Verletzungen eine mechanische Methode. Ein Mikrokonnektor – das ist eine winzige Kammer – wird in die Läsion des Rückenmarks eingesetzt und sorgt per Unterdruck dafür, dass sich die durchtrennten Nervenstränge annähern, sich fast wieder berühren. Obwohl ein minimaler Spalt bleibt, wird dadurch das Rückenmarkgewebe stabilisiert. Langfristig unterstützt das die Regeneration von Nervenfaserbündeln und die Neubildung von Blutgefäßen. Das heißt: Wenn die Nerven die richtige Umgebung zum Wachsen haben, dann tun sie es auch. Mit dem Mikrokonnektor konnte ein bahnbrechender Wert von Level 13 erreicht werden. „Damit sind wir zwar noch ein ganzes Stück von unserem Ziel entfernt“, so Prof. Müller, „aber es setzt sich die Erkenntnis durch, dass wir für so komplexe Krankheitsbilder, wie sie Rückenmarksverletzungen darstellen, nur mit einer Kombination von verschiedenen Therapieansätzen weiterkommen.“ Und so bietet der Mikrokonnektor, der von Mikrosystemtechnikern der Technischen Universität Hamburg entwickelt wurde, eine sehr gute Möglichkeit, verschiedene Konzepte zu kombinieren, denn durch die nur ein paar wenige Millimeter kleine Kammer könnten zusätzlich Medikamente, Stammzellen oder Antikörper eingeleitet werden. „Es gibt Hinweise darauf, dass eine Kombination von Mikrokonnektor und Stammzellen bessere Ergebnisse erzielen könnte als Einzelverfahren. Das wäre dann der nächste Schritt“, so Prof. Müller.

 Teamwork gefragt

 Und nicht nur die Kombination von verschiedenen Therapieansätzen ist gefragt, wenn es darum geht, Patienten mit Rückenmarkverletzungen Hoffnung zu machen. „Das ist nicht die Show der Einzelkämpfer, sondern wir brauchen eine engere Kooperation der Forscher“, betont der erfahrene Neurobiologe. „Deshalb möchte ich den Preis der Klüh Stiftung diesem Gedanken der Zusammenarbeit widmen. Ich möchte ein internationales Symposium führender Wissenschaftler in Düsseldorf organisieren, mit dem Ziel sich darüber auszutauschen, welche Ansätze vielversprechend für klinische Studien und letztlich für die Patienten sind.“

Und um die Forschungsergebnisse schneller zum Patienten zu bringen, ist es wichtig, dass die Publikationen zu bestimmten Themenbereichen systematisch aufbereitet werden. „Jeden Tag erscheinen im Durchschnitt mehr als 20 neue wissenschaftliche Publikationen über Verletzungen im Zentralnervensystem. Da kann man eigentlich gar nicht mehr hinterherkommen. Deshalb bauen wir eine Wissensdatenbank auf.“ Bereits seit 2008 gibt es das gemeinnützige Zentrum für Neuronale Regeneration – CNR e. V. Zusammen mit Informatikern der Uni Bielefeld wird an der Wissensdatenbank gearbeitet, die künftig selbstständig lernen und anhand eines fein gerasterten Begriffsgerüsts Informationen automatisiert aus den wissenschaftlichen Texten ausliest und bereitstellt. Das Vorhaben wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit mehr als 1 Million Euro gefördert. „Die Datenbank des CNR soll eine Entscheidungshilfe für die Planung und Durchführung klinischer Studien bieten und damit den am meisten Erfolg versprechenden Therapien zu einer schnelleren Anwendung beim Patienten verhelfen. Wenn die Datenbank für Querschnittverletzungen so funktioniert, wie wir uns das vorstellen, könnte man ähnliche Datenbanken auch für andere Krankheitsbilder aufbauen. Zum Thema Schlaganfall erscheinen zum Beispiel täglich 38 Publikationen. Stehen entscheidende Informationen zur Verfügung, kann den Patienten besser und schneller geholfen werden.“

 

Über die Klüh Stiftung
In den vergangenen 30 Jahren hat die Klüh Stiftung zur Förderung der Innovation in Wissenschaft und Forschung Preise in Höhe von rund 730.000 Euro ausgelobt und damit ein breites Spektrum von medizinischen Forschungen unterstützt. Die bisherigen Förderpreise wurden in der Regel für medizinische Forschungsarbeiten vergeben, für die keine öffentlichen Mittel bereitgestellt wurden. Stiftungsgründer ist Josef Klüh, Alleininhaber des international tätigen Multiservice-Anbieters Klüh Service Management GmbH.

 

Fotos: © Klüh Service Management GmbH