Vom internationalen Medienkonzern zum Marktführer der deutschen Immobilienwirtshaft. Seit April 2013 ist Rolf Buch Vorstandsvorsitzender der Vonovia SE. Im Rahmen der Immobilieninitiative „Düsseldorf (Er)Leben“ von Böcker Wohnimmobilien, Blackbear Real Estate und demWirtschaftsclub Düsseldorf lieferte er den Zuhörern einen spannenden Einblick in die Neuausrichtung des Konzerns.
„Cash, cash, cash“ hatte bis vor zwei Jahren bei der Deutschen Annington oberste Priorität, so Rolf Buch, Vorstandsvorsitzender des Unternehmens. Heute hat das Unternehmen eine andere Geschäftsstrategie. Ausdruck dessen ist auch der neue Name Vonovia SE, unter dem das Unternehmen seit Anfang September firmiert. Die damalige Geschäftsstrategie habe darauf beruht, große Wohnungsbestände zu kaufen und einzeln wieder an die Mieter zu verkaufen. Der damalige Eigentümer war eine Private-Equity-Gesellschaft, die bis Mai 2014 noch Großanteilseigner des Immobilienriesen war. „Als ich ins Unternehmen kam, war es in Equity-Hand“, erinnert er sich. „Der Cashflow war alles; immerhin war die Equity-Group hoch verschuldet.“ Seinem Vorgänger sei nichts anderes übrig geblieben, als das Geld, das reinkam, zur Schuldentilgung einzusetzen. Die Mieter hätten dabei nicht unbedingt im Vordergrund gestanden.
Private-Equity-Kapitel abgeschlossen
Dementsprechend wurde die Deutsche Annington von vielen bisher als Konzern wahrgenommen, für den es lediglich um die Maximierung der Rendite geht. Genau diesem Ruf will das Unternehmen entgegenwirken. „Wir haben uns sehr intensiv damit beschäftigt, wo wir eigentlich stehen, was unsere Mission ist, welche Zielsetzung wir haben und welche Werte man braucht“, berichtet Buch, der zuvor mehr als 20 Jahre bei Bertelsmann tätig
war, einem Unternehmen, das seit jeher großen Wert darauf legt, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. „Wenn Sie aus so einer Kultur kommen, dann fangen Sie sehr früh an, sich zu fragen, wofür es uns eigentlich gibt.“ Nachdem das Private-Equity-Kapitel beendet war, habe man im Kreise der Führungskräfte lange diskutiert, bis man zu der Erkenntnis gelangt sei, dass es das Ziel sein muss, den Menschen in Deutschland ein verlässliches und bezahlbares Zuhause zu geben. „Wohnimmobilien sind etwas anderes als die Immobilienwelt generell. Wir haben für die Mieter eine große Verantwortung.“ In der Vergangenheit der deutschen Wohnungswirtschaft sei dieser Aspekt zu kurz gekommen. „Deswegen haben Unternehmen wie wir teilweise auch ihren Ruf selbst erarbeitet. Nun arbeiten wir daran, den Ruf auch wieder vergessen zu machen. Heute stehen unsere Mieterinnen und Mieter im Zentrum unseres Handelns.“
Kompliziertes Geflecht
Mit dieser ehrlichen Erkenntnis brachte Buch seine Zuhörer schon zu Beginn seines Vortrags zum Staunen, bevor er einen spannenden Einblick in das Immobilienunternehmen gab. Immerhin beschäftigt Vonovia heute rund 6.000 Mitarbeiter und verfügt über 367.000 Wohnungen; hinzu kommen nochmal 42.000 Wohnungen, die das Unternehmen für Dritte verwaltet. „Ungefähr 99 Prozent davon haben uns auch mal gehört“, sagt Buch. Die ersten großen Finanzinvestoren, die um die Jahrtausendwende kamen, wären davon ausgegangen, dass sie die großen Wohnungsbestände wie in New York oder London schnell an die Vermieter verkaufen könnten. „Allerdings ist Deutschland eine Mieternation. Das liegt an unserer Historie: wir haben im 2. Weltkrieg große Bestände unserer Wohnungswirtschaft verloren, die industriell wieder aufgebaut werden mussten.“ Außerdem würden Banken hierzulande eine Verschuldung vermeiden wollen, sodass man beim Kauf einer Wohnung mehr Eigenkapital brauche als in anderen Ländern. „Das Entscheidende ist aber unsere Mietgesetzgebung: Wir haben einen stark regulierten Markt. Für ein junges Ehepaar in London ist es wahrscheinlich ein guter Ratschlag, schnell eine Wohnung zu kaufen, weil die Mieten dort rasch extrem teuer werden können. Das ist in Deutschland durch die Regulierung der Mieten ausgeschlossen.“
Strategie des Unternehmens
Der durchschnittliche Mietpreis habe 2014 bei 5,55 Euro gelegen. „Das ist ein Wert, der als bezahlbarer Wohnraum durchgeht“, so Buch weiter. „Früher haben wir fünf bis sechs Euro pro Quadratmeter in die Instandhaltung investiert, heute liegen wir für Instandhaltung und energetische Modernisierung insgesamt zwischen 31 Euro und 32 Euro – damit investieren wir die Hälfte der Jahresmiete in den Bestand zurück. Ein klarer Beleg für unsere langfristig ausgerichtete Strategie.“ Dabei hat Buch noch mehr Ideen: „Es ist faszinierend, dass wir 2015 in einer Industrie sind, in der man jeden Tag eine neue Idee haben kann, die zuvor noch keiner hatte. Wir sind noch ganz am Anfang.“
Später sprach Buch auch über die Strategie des Unternehmens: „Das, was wir tun, ist mit einem Buchclub vergleichbar – es ist sozusagen ein abobetriebenes Geschäft.“ Schließlich sei es ein Dauerschuldverhältnis mit den Mietern. „Die wesentlichen Steuerungsgrößen, die ein Buchclub hat, nämlich die durchschnittliche Umsatzpolitik und die durchschnittliche Haltbarkeit, sind auch die Natur unseres Geschäfts. Man kann die Methoden, die ein abobetriebenes Geschäft hat, auch in der Immobilienwirtschaft anwenden.“
Altersgerechten Wohnraum schaffen
Grundsätzlich sei das Geschäft niedrigmargig, allerdings auch sehr stabil. In Finanzierungsfragen hat Vonovia aber ein einzigartiges Konzept: „Bei der Bank haben wir nämlich nicht nur das klassische Portfolio als Sicherheit, sondern wir gehen über Unternehmensanleihen und finanzieren uns so zu einem großen Teil.“ Auch das Portfoliomanagement spielt für den Erfolg eine große Rolle. Hier müsse sichergestellt werden, dass man mit dem richtigen Produkt in den richtigen Städten vertreten ist. Deshalb werde derzeit zum Beispiel massiv in den Umbau von Immobilien in seniorenfreundlichen Wohnraum investiert. Daneben legt man den Fokus auch auf energetische Sanierungen. Entsprechend liegt die Sanierungsquote bei drei Prozent des Bestandes pro Jahr. Gearbeitet wird auch an der Warmmieterelation: Neben einfachen Leistungen wie Internetzugang und Telefonanschluss will Vonovia ihren Mietern noch mehr anbieten. „Warum sorgen wir beispielsweise nicht für ambulante Pflege?“, fragt Buch.
Die größte Herausforderung sieht er ohnehin darin, die Wohnungen und insbesondere die Badezimmer barrierearm umzubauen. Eine wichtige Säule stellt hier die unternehmenseigene Handwerkerorganisation dar, die über rund 2.000 Mitarbeiter verfügt. Erkannt habe man auch, dass man sich in den vorhandenen Wohnvierteln engagieren müsse: So werden Kinderspielplätze gebaut oder Mieterfeste organisiert, um dort ein lebendiges Leben zu erhalten. Eine spannende Angelegenheit sei zudem die Fusion mit der GAGFAH; die Integration der im März zusammengeschlossenen Unternehmen laufe sehr gut. Klar sei aber auch: Es bleibe spannend im Immobilienmarkt, der sich auch weiter konsolidieren werde.
von Jessica Hellmann
Foto: © Vonovia
Fotos(4): © Stefanie Siegel