
Leon Löwentraut zählt zu den international erfolgreichsten jungen Künstlern – mit Ausstellungen weltweit, über einer Million Followern und Werken, die persönliche wie gesellschaftliche Themen reflektieren.
Im exklusiven Gespräch mit TradeTalk-Herausgeberin Melanie Goll spricht er über seine frühen Anfänge, Inspirationsquellen zwischen Atelier und Reisen sowie den Balanceakt zwischen Öffentlichkeit und künstlerischer Authentizität. Ein Interview über Verantwortung, Haltung – und den Mut, seinen eigenen Weg zu gehen.
Was hat Sie als Kind oder Jugendlicher am meisten geprägt – künstlerisch, aber auch menschlich?
Leon Löwentraut: Ich habe bereits sehr früh, mit sieben Jahren intensiv gemalt – oft gemeinsam mit meiner Mutter. Malen hat mich immer beruhigt und mir schon als Jugendlicher neue Horizonte eröffnet. Ich hatte ja bereits mit 15 Jahren meine erste Ausstellung – in einer Galerie bei München. Im zwischenmenschlichen Bereich hat mich meine Zeit im Internat auch sehr geprägt. Da habe ich ein intensives Gemeinschaftsgefühl außerhalb der Familie erlebt.
Ihre Werke sind farbintensiv, expressiv, oft mit starkem Statement. Woher nehmen Sie die Inspiration?
Leon Löwentraut: Inspiration finde ich auf Reisen, in meiner Wahlheimat Portugal, bei Beobachtungen in Cafés, aber auch in der Einsamkeit meines Ateliers, wo ich ganz bei mir sein kann, in innere Welten abtauche. In meinem Atelier bin ich ein anderer Leon als der öffentliche, bin mehr auf mich, auf meine eigene Gedankenwelt fokussiert.
Gibt es bestimmte Themen, die sich wie ein roter Faden durch Ihr Schaffen ziehen?
Leon Löwentraut: Ja, zwischenmenschliche Beziehungen. Was verbirgt sich hinter unserer Fassade? Das thematisiere ich zum Beispiel in meiner Serie „Different Minds“.
Aber auch Nachhaltigkeit ist ein Thema, das mich intensiv beschäftigt. Zum Beispiel in meiner Serie #Art4GlobalGoals, in der ich die 17 nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen und der Weltgemeinschaft künstlerisch interpretiere. Ein anderes großes Thema ist die Einsamkeit und deren mögliche Überwindung durch gemeinsames Handeln, das habe ich umgesetzt in meiner Arbeit „Together for the Future“, die in der Wandelhalle des nordrhein-westfälischen Landtag hängt.
Von welchen Künstler:innen oder Bewegungen fühlen Sie sich inspiriert?
Leon Löwentraut: Picasso, Matisse, Keith Haring oder Basquiat – das sind einige der Künstler, die mich schon immer inspiriert haben, aber eigentlich will ich mich von Vorbildern freimachen und meinen eigenen Weg finden. Ich beobachte zudem aktuelle Strömungen im Kunstbetrieb und es gibt einige zeitgenössische Künstlerkollegen, die mich beeindrucken, wie zum Beispiel Jonathan Meese. Auch die Werke von Hermann Nitsch finde ich unfassbar gut.
Wie sehr beeinflussen Sie gesellschaftliche Entwicklungen oder politische Themen?
Leon Löwentraut: Kunst kann, muss aber nicht politisch sein. Andererseits: Ist nicht alles irgendwie Politik? Meine Kunst reflektiert unsere Zeit und unsere Gesellschaft, wie wir uns geben, die Diskrepanz zwischen Sein und Schein und auch, wie wir miteinander umgehen oder – in Zeiten der Diskussionen über Spaltung und Einsamkeit – eben nicht miteinander umgehen. Auch daher sind auf meinen Bildern oftmals isolierte Gestalten zu sehen.
Sie sind sehr präsent in den Medien – wie gehen Sie mit Öffentlichkeit und Kritik um?
Leon Löwentraut: Ja, ich will, dass meine Bilder von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden und unter diesem Aspekt ist Öffentlichkeitsarbeit sehr wichtig. Allein zur Vernissage meiner aktuellen Ausstellung in Düsseldorf mit dem Titel „Beyond Horizon“ kamen mehr als 500 Besucher. Auf Instagram habe ich mehr als eine Million Follower. Selbstverständlich werden meine Arbeiten in den Medien mitunter kontrovers diskutiert. Über konstruktive Kritik, die einen weiterbringt, freue ich mich.
Sie werden oft als Shootingstar der Kunstszene bezeichnet. Ist das ein Titel, den Sie gerne annehmen – oder nervt er Sie manchmal?
Leon Löwentraut: Mit 17 Jahren hat mir das geschmeichelt, aber im Ernst: Wie lange kann man ein Shootingstar sein? Ich bin jetzt 27, meine erste Ausstellung hatte ich mit 15. In der Zwischenzeit habe ich weltweit ausgestellt. Ich denke, ich habe bewiesen, dass ich mich im Kunstbetrieb fest etabliert habe.
Was möchten Sie jungen Künstler:innen mitgeben, die ihren eigenen Weg suchen?
Leon Löwentraut: Glaub an dich und lass dich nicht beirren! Und nicht vergessen: Nicht jeder Rat ist ein guter Rat.

Ihre Werke hängen weltweit – von Singapur bis New York. Wie geht man als junger Künstler mit dieser schnellen Internationalisierung und diesem Erfolg um?
Leon Löwentraut: Es ist eine unglaubliche Erfahrung und ich muss mich heute noch manchmal kneifen. Es ist ein Riesenglück und ich empfinde es als große Ehre, dass meine Kunst auf so viel Resonanz stößt und ich an den tollsten Orten der Welt ausstellen und so viele wunderbare Menschen kennenlernen darf. Aber es ist auch ein bisschen ein Leben auf der Überholspur und zwischendurch muss ich mich auch immer wieder mal zurückziehen, um die Bodenhaftung nicht zu verlieren und meine Batterien wieder aufladen. Das gelingt mir am besten in meinem Atelier, wenn ich mich ganz aufs Malen und auf mich selbst konzentrieren kann. Und natürlich, wenn ich mit meiner Familie oder mit Freunden zusammen bin.
Der 1998 geborene Künstler Leon Löwentraut lebt und arbeitet in Portugal sowie in der Nähe von Düsseldorf. Mit Ausstellungen in internationalen Museen und Galerien sowie Projekten wie der Kunstinstallation „Global Gate“ hat er sich in der zeitgenössischen Kunstszene einen Namen gemacht. Neben seiner künstlerischen Arbeit engagiert sich Löwentraut auch im Bildungsbereich: Im Wintersemester 2021/2022 übernahm er einen Lehrauftrag im Studiengang Virtual Design an der Hochschule Kaiserslautern. Für seine Arbeiten und sein gesellschaftliches Engagement wurde er 2023 mit dem Ernst Barlach Preis für Bildende Kunst ausgezeichnet.
Fotos: © Leon Löwentraut