
Der Wirtschaftsstandort Deutschland fremdelt noch immer mit Innovationen. Dies zeigt sich auch in der Besteuerung neuer Phänomene wie Blockchain-Einträgen, von denen die sog. Kryptowährungen (wie Bitcoin und Ethereum) die bekanntesten sind.
In diesem Bereich hat der Steuergesetzgeber seit deren erstmaligem Auftreten in 2009 keine passgenauen Vorschriften erlassen. Stattdessen geht er nun mit Hilfe des Steuerstrafrechts und einschneidenden Strafdrohungen umso härter gegen vermeintliche „Steuerhinterzieher“ vor. Hier wird immer häufiger auch die Steuerfahndung aktiviert.
Melanie Goll und Dieter Knaut von TradeTalk (TT) haben den auf das neu entstandene Gebiet des Kryptosteuer- und -erbrechts spezialisierten Rechtsanwalt und Steuerberater Prof. Dr. Joerg Andres aus Düsseldorf (andresrecht.de) zu dem immer drängender werdenden Thema befragt und dabei eine ganze Reihe neuer Erkenntnisse gewonnen.
Was ist das Besondere an der Besteuerung von Kryptowährungen?
Joerg Andres: Die Besteuerung vermeintlich nur wenig bekannter neuer Phänomene kann zu erheblichen Steuereinnahmen führen – wenn die bisherigen Steuergesetze zur Besteuerung ausreichen. Wenn die Gesetze hier aber zu kurz greifen, kann die Finanzverwaltung bei der Frage nach der Rechtsgrundlage schon einmal in arge Bedrängnis geraten – das hil dem Steuerpichtigen.Die Situation bei der Besteuerung von Blockchain-Einträgen, bei denen lediglich virtuelle Signaturketten in online geführte völlig wertfreie „Register“ eingetragen werden (vergleichbar einem „Grundbuch ohne Grundstücke“), hatte anfangs den ersichtlichen Anstrich eines reinen Online-Spiels, bei dem auch keinerlei realer Wert geschaen wird.
Erst allmählich wurde in der Finanzverwaltung und von einigen selbsternannten „Experten“ die Auassung vertreten, dass die „Gewinne“, die o auch nur rein virtuell entstehen, doch real – in Euro – zu besteuern seien, ohne genau zu prüfen, worum es sich dabei jeweils konkret handelt. So entstand nach und nach die Vorstellung, es müsse sich bei sog. Kryptowährungen generell um immaterielle Wirtschasgüter – wie vermeintliche Rechte – handeln, die im Rahmen privater Veräußerungsgeschäe generell besteuert werden können.
Und wo liegt hier nun genau das Problem?
Joerg Andres: Ein Problem dabei ist, dass solche „Rechte“ gegen eine dezentrale Blockchain, die keinen Geschäsführer und auch keinen Geschässitz hat, nicht so ohne Weiteres durchgesetzt werden können. Zumal wenn gar nicht klar ist, welches Recht konkret erworben worden sein soll.
Seit 2022 vertritt die Finanzverwaltung nun sogar die Auassung, es handele sich bei „virtuellen Währungen“ um „Wirtschasgüter materieller Art“ – vergleichbar etwa Münzen, also Sachen. Kryptowährungen sind nach herrschender Auassung aber keine Sachen. Deshalb kann man auch kein Eigentum an einer Kryptowährung erwerben.
Damit wäre das doch geklärt. Oder nicht?
Joerg Andres: Könnte man meinen. Die Finanzverwaltung – getragen von einer Entscheidung des BFH aus Februar 2023 – will das aber so nicht akzeptieren. Der Steuerpichtige erwerbe eine „Berechtigung“ und erhalte dadurch eine „Eigentümerstellung“. Das klingt zwar alles erst mal recht fachmännisch, orientiert sich aber nur am Rande an den zugrundeliegenden gesetzlichen Regelungen.
Deshalb ergeben sich für die Steuerpichtigen hier gleich mehrere zu beachtende Aspekte:
1. Regelungen aus Nicht-Steuergesetzen gelten nicht automatisch auch im Steuerrecht.
2. Bis 2023 wurde in keinem einzigen Steuerformular nach „Kryptowährungen“ gefragt.
3. Die erst in 2022 von der Finanzverwaltung gebildete Auassung wird von dieser nun wie selbstverständlich zurückbezogen in Jahre wie z.B. 2017, in denen kein einziges Finanzamt in Deutschland hätte verbindlich erklären können, wie die Krypto-Besteuerung konkret gehandhabt werden müsse.
4. Alle die, die bisher nicht bereits vorsorglich ihre Krypto-Transaktionen gegenüber dem Finanzamt oengelegt haben, können nun täglich damit rechnen, unangenehme Schreiben von der Finanzverwaltung zu erhalten, in denen ihnen mehr oder weniger pauschal „Steuerhinterziehung“ vorgehalten wird.
Das klingt ja beängstigend. Und das ist alles rechtens?
Joerg Andres: Bei genauer Betrachtung omals eben nicht. Auch wenn der Bundesnanzhof 2023 erstmals ein Urteil zu Bitcoin, Ethereum und Monero gefällt hat, hat er dabei nicht automatisch auch gleich alle sonstigen Aspekte von geschätzt mehr als 30.000 weiteren sog. Kryptowährungen geklärt.
Erstens ist eine BFH-Entscheidung immer nur für den entschiedenen Einzelfall bindend und zweitens gibt es natürlich jede Menge Fragen, die in diesem Kontext gestellt werden sollten, um gegen die vermeintliche Steuerlast und den Vorwurf der Steuerhinterziehung vorzugehen. Wir haben in diesem Bereich bereits 2020 die bislang bundesweit einzige positive Finanzgerichtsentscheidung in Nürnberg erstritten, weil wir diese Fragen konsequent stellen.
Dabei hat das Gericht wörtlich festgestellt: „Letztlich sollte bei der Qualizierung einer „Kryptowährung“ als Wirtschasgut schon möglichst klar sein (…) worüber man eigentlich entscheidet.“
Was sollte man als Betroffener also gegenwärtig tun?
Joerg Andres: Grundsätzlich sollten alle die, die bislang ihre Krypto-Aktivitäten noch nicht erklärt haben, das vorsorglich schleunigst von einem spezialisierten Berater (Rechtsanwalt/Steuerberater) prüfen lassen und dann entscheiden, was genau getan werden sollte. Wenn die Finanzverwaltung bereits ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat, bevor der Steuerpichtige etwas nacherklärt hat, sollten Betroene sich umso mehr professionell beraten und vertreten lassen. Ansonsten drohen schnell zusätzliche Geld- oder Freiheitsstrafen.
Worauf kommt es da besonders an?
Joerg Andres: Vor allem ist wichtig, in solchen Situationen kühlen Kopf zu bewahren und die richtigen Argumente vorzutragen. Die von der Finanzverwaltung omals pauschal genannten Rechtsgrundlagen halten einer genauen Überprüfung o nicht stand. Dabei geht es sowohl um zivilrechtliche und regulatorische, als auch um steuerrechtliche und speziell steuerstrafrechtliche Argumente. Diese entschlossen, kompetent und konsequent vorzutragen, solange es noch nicht zu spät ist, darauf kommt es an. Dann können auch diese Risiken nachträglich noch beherrschbar gemacht und der Finanzverwaltung in vielerlei Hinsicht Paroli geboten werden.
Foto: © Erik Spilles