Anlässlich des Gran Départ der Tour de France vom 29. Juni bis 2. Juli 2017 in Düsseldorf lud die Stiftung für die Freiheit NRW unter dem Titel „Sicher ist Sicherheit nie“ zu einem Dinner-Talk in den Wirtschaftsclub Düsseldorf, bei dem Vertreter von Polizei, Politik und Wissenschaft das Thema „Innere Sicherheit bei Großveranstaltungen“ beleuchteten.

In Düsseldorf schlägt 2017 das Herz des Radsports: Mit dem Grand Départ des bekanntesten Radrennens der Welt, der Tour de France, wird Düsseldorf zum Ort eines Weltsport-Ereignisses. Was Sportfans begeistert, stellt Sicherheitskräfte vor große Herausforderungen. Viele Bürger sind außerdem besorgt, ob sie angesichts möglicher Terrorgefahr Großveranstaltungen überhaupt besuchen sollten.

Podium1 SicherheitMarc Lürbke MdL, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Landtag NRW, sprach im Wirtschaftsclub Düsseldorf mit Norbert Wesseler, Polizeichef der Landeshauptstadt Düsseldorf und Dr. Jochen Hippler, Terrorismusexperte, darüber, was hinter den Kulissen eines Großereignisses getan wird, um die bestmögliche Sicherheit der Besucher zu gewährleisten, wie Terrorismus langfristig bekämpft werden kann und was die Politik tun kann, um im Vorfeld für unsere Sicherheit einzutreten und besorgten Bürgern Mut zur Freiheit zu machen. Unter den Gästen des erlesenen Publikums befanden sich unter anderem auch die Koordinatoren des Kölner Christopher Street Day, der in diesem Jahr am 9. Juli stattfinden wird.

Credo: Mehr Polizei ist dringend notwendig

Zu Beginn wies Marc Lürbke darauf hin, dass der Staat beim Thema innere Sicherheit enormen Nachholbedarf hat: „Die Aufgabe des Staates ist es, für die Sicherheit seiner Bürger zu sorgen. Hier stehen wir vor großen Herausforderungen. Das Vertrauen in den Staat hat in den letzten Jahren stark gelitten“.

Dem schloss sich Norbert Wesseler an. Er analysierte die Sicherheitslage in Düsseldorf, deren Polizeipräsident er seit 2014 ist. In der Landeshauptstadt sei, auch beim aktuellen Thema Terrorismusbekämpfung, der Personalmangel bei der Polizei ein zentrales Problem. Die Polizeipräsenz müsse generell gestärkt werden, sodass alle Bürger sich mit gutem Gewissen im öffentlichen Raum bewegen können.

Großereignisse wie der Gran Départ stellen die Polizei in Düsseldorf vor enorme Herausforderungen. Trotz aller Anstrengungen der Beamten müsse man realistisch bleiben: „Eine absolute Sicherheit gibt es leider nicht. Wir als Polizei nehmen gewissen Szenarien an und versuchen, diese zu verhindern. Doch Sicherheit ist niemals sicher.“ Dr. Jochen Hippler riet Radsportfreunden zur Gelassenheit: „Häufig ist unsere Angst vor Terrorismus von der Realität abgekoppelt. Nach 9/11 hatten beispielsweise viele Leute, auch in Deutschland, enorme Furcht vor Menschen, die nach Terroristen aussehen“. Doch nüchtern betrachtet ist es in den USA viermal wahrscheinlicher, vom Blitz getroffen zu werden, und neunmal wahrscheinlicher, von einem Polizisten erschossen zu werden, als durch einen Terrorakt zu sterben. Trotzdem kann man das Bedrohungsgefühl natürlich nicht wegdiskutieren.“

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Doch Sicherheit kostet Geld. Bei Veranstaltungen vom Schützenfest bis hin zum Gran Départ sei, so Polizeipräsident Wesseler, wird heutzutage immer wieder die Frage gestellt, wer eigentlich für unsere Sicherheit zahlen soll – der Veranstalter, der ein Sicherheitskonzept auferlegt bekommt, oder der Staat. „Da bin ich mir mit meinen Kollegen auch nicht immer einig“, erklärte Wesseler.

Polizeiberuf für Realschulabgänger öffnen

Einig waren sich die Referenten darüber, dass in den letzten Jahren deutlich zu wenig Polizisten eingestellt worden sind. Wesseler lobte das Vorhaben der neuen, schwarz-gelben Koalition in NRW, mehr Beamte einzustellen, doch geht es ihm noch nicht weit genug: „2300 Polizeibeamte mehr, wie der Koalitionsvertrag es vorsieht, sind zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber gerade genug, um die Abgänge zu kompensieren.“ Lürbke verteidigte das Ziel: „2300 Polizeibeamte sollen bis 2022 neu eingestellt werden – und zwar jedes Jahr. Dies ist die höchste Zahl, die sich eine Regierung in NRW je ins Programm geschrieben hat.“ Der Abgeordnete wies außerdem darauf hin, dass die neue Koalition auch vorhabe, Polizeibeamte durch zusätzliche Verwaltungsangestellte zu entlasten. Jedes Jahr sollen hierfür 500 neue Mitarbeiter eingestellt werden.

Die Frage, ob es für eine so hohe Zahl an neu geplanten Stellen überhaupt ausreichend qualifizierte Bewerber gebe, bejahte Wesseler: „Derzeit bewerben sich jährlich knapp 10.000 Abiturienten, da haben wir genug Auswahl.“ Zudem plane die neue Landesregierung, auch Bewerber mit Realschulabschluss wieder an den Polizeiberuf heranzuführen. Wesseler begrüßte diese Entwicklung: „Obwohl die Anforderungen an Polizeibeamte insgesamt enorm gestiegen sind, braucht ein Polizist für einige Tätigkeiten, wie beispielsweise den Objektschutz, möglicherweise nicht die volle Ausbildung.“ Bei der Öffnung des Berufes für Bewerber mit Realschulabschluss werde man im hohen Maße darauf achten, dass die Qualität der Ausbildung bei der Polizei weiter gewährleitet werde, waren sich Lürbke und Wesseler einig.

Zwei Säulen der Terrorismusbekämpfung

Podium2 SicherheitZur effektiven Bekämpfung von Terrorismus sei mehr Polizei alleine allerdings nicht ausreichend, gab Dr. Hippler zu bedenken. Repressive Maßnahmen seien natülich ein wichtiger Teil, so der Terrorismusforscher: „Sie können radikalisierte Möchtegerntäter nicht durch Gesprächsrunden oder Therapien vom Handeln abhalten. Grundsätzlich bin auch ich der Meinung, dass hierfür das Personaltableau weiterhin zu eng ist, und die Abstimmung zwischen den Behörden verbessert werden sollte. Dennoch sind wir auf diesem Feld heute besser aufgestellt als früher. “

Zusätzlich müsse aber unbedingt auf gesellschaftlicher Ebene präventiv gewirkt werden, damit „von unten nicht mehr nachwächst, als wir oben abschneiden können“. Häufig radikalisieren sich Menschen, die marginalisiert seien und das Gefühl haben, gescheitert zu sein. In der Kette bis zur politischen Radikalisierung durch den IS oder andere terroristische Vereinigungen stehen typischerweise zunächst Alkohol- und Drogenprobleme, sowie Kneipenschlägereien, erläuterte der Experte. Daher müsse verstärkt auf Prävention gesetzt werden: „Wir können die Möglichkeit der Radikalisierung dämpfen, indem wir den Leuten Chancen bieten, und sie motivieren, sich an der Gesellschaft zu beteiligen.“

von Iris B. Müller, Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Foto 1: © Manfred Voss/www.voss-fotografie.com

Fotos 2, 3, 4: © Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit