Prominente leben und vererben grundsätzlich wie andere Zeitgenossen auch. Manchmal allerdings auch etwas spektakulärer, weil darüber in vielen Details und Facetten berichtet und spekuliert wird. Gleichgültig, ob die Berichte in den einschlägigen Zeitschriften der Regenbogenpresse nun stimmen oder nicht – auch aus Fehltritten von renommierten Künstlern, Sportlern oder anderen vermögenden Personen kann man stets Einiges lernen.

Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist zunehmend nicht nur vom Fachkräftemangel betroffen, sondern immer mehr auch von erheblichen Auseinandersetzungen innerhalb der Familien, in denen Pflichtteilsberechtigte beim Erbe entweder übermäßig bedacht oder völlig außen vor gelassen – also enterbt – werden. Dies zeigt sich sowohl bereits im Vorfeld erwarteter Erbfälle, als auch dann, wenn betagte amilienmitglieder gerade erst zu Grabe getragen worden sind und die Verteilung des Nachlasses ansteht. Die Eröffnung eines bislang unbekannten Testaments oder Erbvertrages hält dabei eine Vielzahl an Überraschungen bereit, die zu jahrelangen intensiven Streitigkeiten innerhalb der betroffenen Familien führen können.

Melanie Goll und Dieter Knaut von TradeTalk (TT) haben den auf das Gebiet des Erb- und Erbschaftsteuerrechts spezialisierten Rechtsanwalt und Steuerberater Prof. Dr. Joerg Andres aus Düsseldorf (andresrecht.de) zu dem immer bestimmender werdenden Thema interviewt. Anlass Gesprächs war der erst am Jahresanfang 2025 in 3. Auflage neu erschienene rbschaftsratgeber „Heute schon gepflichtteilt?“, der bei Amazon als ompaktes E-Book erschienen ist.

Was sind die Charakteristika des online erschienenen Buches zum
Pflichtteilsrecht?

Joerg Andres: Herkömmliche Erbenratgeber arbeiten sich an zahlreichen juristischen Vorschriften ab, die für den Laien nur schwer verständlich sind. Das Buch „Heute schon gepflichtteilt?“ ist das Nachfolgewerk zu „Heute schon geerbt?“ Beide Ratgeber erläutern typische Erbfallkonstellationen anhand prominenter Erbfälle. Auf diese Weise wird der Leser anhand seines eigenen Interesses an seinen Lieblingsschauspielern, Künstlern oder Sportlern animiert, sich bei dieser Gelegenheit mit typischen erbrechtlichen Fragestellungen vertraut machen zu lassen.

Wird bei „Heute schon gepflichtteilt?“ die Perspektive der Person, die
künftig etwas zu vererben hat eingenommen oder die des Pflichtteilsberechtigten, der um seinen Erbanspruch fürchtet?

Joerg Andres: Sowohl, als auch. Das Buch erläutert sowohl die Sicht des künftigen Erblassers und/oder Erben, der/die sich frühzeitig Gedanken um die richtige Vererbensstrategie macht/en, als auch die Sichtweise des künftig potentiell leer ausgehenden Pflichtteilsberechtigten, der vielleicht schon vermutet, dass man ihm negativ mitspielen und ihn beim Erbe ausbooten könnte.

Ein Patentrezept gibt es nicht

Insgesamt also ein Thema, das erheblichen Zündstoff für jahrelange heftige Auseinandersetzungen bereithält. Was raten Sie den künftigen Erblassern in diesem Zusammenhang, um solche Streitereien möglichst zu vermeiden?

Joerg Andres: Ein Patentrezept, das für jeden Fall passen würde, gibt es verständlicherweise nicht. Auch hier gilt jedoch: Eine minutiöse Analyse und detaillierte Vorbereitung einer Vermögensübertragung ist der größte Garant für eine friedliche Überleitung des Familienvermögens auf die nächste Generation.

Was heißt das konkret für denjenigen (z.B. Vater oder Mutter), der/die es bei der Verteilung seines/ihres Vermögens mit mehreren Pflichtteilsberechtigten – typischerweise eigenen Kindern – zu tun hat?

Joerg Andres: Zunächst geht es darum, genau zu überlegen, welche ermögensteile bereits vor dem Eintritt des Erbfalles übertragen werden können und wer welche Vermögensgegenstände unter welchen Voraussetzungen und unter welchen Gesichtspunkten erhalten soll. Dabei sollte der Erblasser einerseits nicht ohne Absicherung eigenes Vermögen, auf das er ggf. später noch zurückgreifen muss, endgültig übertragen. Auf der anderen Seite sollten Vermögensübertragungen nach Möglichkeit vorab mit allen potentiell Erbberechtigten besprochen und deren Akzeptanz mit den angedachten Übertragungen eingeholt werden. Auf diese Weise können zumindest grobe Fehler, die als Ungerechtigkeiten von einzelnen mpfunden werden, und Grund für jahreslanges Streiten sind, in der Regel vermieden erden.

Das richtige Fingerspitzengefühl ist mitentscheidend

Welchen Tipp haben Sie für Pflichtteilsberechtigte, die die Vermutung haben, sie könnten von den Eltern ungerecht behandelt oder z.B. von anderen Geschwistern beim Erblasser „schlecht gemacht“ und deshalb benachteiligt werden?

Joerg Andres: Hier dürfte das richtige Fingerspitzengefühl, wer welche Rolle innerhalb der Familie spielt und welchen Einfluss hat, mitentscheidend sein. Oftmals führen Zäsuren im Leben der Eltern dazu, dass diese erste Dispositionen treffen, die dann erhebliche Auswirkungen auf die weiteren Verfügungen der Eltern haben.

Was meinen Sie konkret damit?

Joerg Andres: Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Der verwitwete Vater stürzt und verletzt sich so schwer, dass er für längere Zeit in klinische Obhut muss. Dies führt häufig dazu, dass eines der Kinder – meist das, das sich dann am meisten um den Vater kümmert – über kurz oder lang alleine Vollmachten eingeräumt erhält, die nicht selten zu gravierenden Vermögensverfügungen führen. Einerseits kann die Wahrnehmung des Vaters entsprechende Zuwendungen an das sich bemühende Kind auslösen, andererseits können dessen Verfügungsbefugnisse nahezu unbemerkt zu Kontobewegungen führen, die vom Vater nicht veranlasst wurden, aber dennoch wirksam sind. Wenn dann noch ein Testament unter Federführung es sich kümmernden Kindes zustande kommt, können sich die anderen inder oftmals glücklich schätzen, überhaupt noch oberhalb eines esetzlichen Pflichtteilsanspruchs bedacht zu werden.

Was war Auslöser für Sie, das Buch in der nun vorliegenden Form zu
konzipieren?

Joerg Andres: Gleichgültig, ob man darauf vorbereitet ist oder nicht. Die Nachricht, (doch nicht) Erbe eines kürzlich verstorbenen Verwandten, Ehegatten bzw. Lebenspartners geworden zu sein, kann täglich jeden mehr oder weniger überraschend treffen.
Die Wenigsten wissen jedoch, was konkret zu tun ist, wenn durch eine solche Information plötzlich großer Handlungsbedarf entsteht. Umso interessanter ist es, zu erfahren, wie es zahlreichen bundes- oder weltweit bekannten Größen mit dem (erhofften) Erbe bereits ergangen ist und elche Lehren diese Personen daraus gezogen haben oder hätten ziehen können.

Wie sieht die Checkliste aus, die mir garantiert, dass kein
wesentlicher Aspekt vergessen wird?

Joerg Andres: Diese Checkliste hängt wesentlich von der jeweiligen Zielsetzung des Erblassers oder Pflichtteilsberechtigten ab. Wie weit ist ein zünftiger Erblasser bereit, im Vorfeld seines eigenen Todes gegenüber nahen Verwandten um des lieben Friedens willen Zugeständnisse zu machen und einzelne Personen in ihrem Tun nicht übermäßig zu bewerten? Was ist ein Pflichtteilsberechtigter gewillt, gerade noch hinzunehmen, um den Kontakt zur Familie weiterhin aufrechterhalten zu können, ohne sich selbst verleugnen zu müssen?
Ganz egal, aus welcher Perspektive man die eigene Situation auch analysiert. Eigene Ansprüche auf ein vertretbares Maß zu reduzieren, ermöglicht viele Lösungen, die ansonsten von vornherein nicht in Frage kommen würden. Dabei kann dann die Perspektive eines externen Beraters zusätzlich helfen.

Haben Sie auch ein prominentes Beispiel aus dem Buch, das
erfolgreich war?

Joerg Andres: Durchaus. Die Auseinandersetzung zwischen der zweiten Ehefrau des früheren Bundeskanzlers und dessen beiden leiblichen Söhnen ist von dem Strategen Helmut Kohl wohl frühzeitig vorausgesehen worden. Entgegen aller Erwartungen hat er dann deutlich vor seinem Ableben mit beiden Söhnen wirksame vertragliche Vereinbarungen über sog. pflichtteilsverzichte getroffen, die die erwartete Auseinandersetzung von vornherein vermieden haben. Das war ein geschickter Schachzug des Altkanzlers und findet daher auch seinen positiven Widerhall im Buch.

Gibt es eigentlich einen buchstäblich „todsicheren Tipp“ zur
konfliktfreien Erbfolge auch in Bezug auf Pflichtteilsberechtigte?

Joerg Andres: Ja, das ist denkbar: Der Erblasser, der es schafft, ein Vermögen von Null Euro zu hinterlassen, kann relativ sicher davon ausgehen, dass um diesen wertlosen Nachlass nicht mehr gestritten wird. Diese Vorstellung mag vielen Pflichtteilsberechtigten auch die Überlegung erleichtern, bereits vor dem Erbfall einen Pflichtteilsverzicht gegen Barabfindung zu akzeptieren. Schließlich gilt am Ende: Nur über das Geld, das der Pflichtteilsberechtigte endgültig erhalten hat, kann er uneingeschränkt verfügen, das der Erblasser dies nicht mehr für eigene Vergnügungen oder Risiken ausgeben kann. So ist beiden Seiten gedient.

RA/Fachanwalt für Steuerrecht/StB Prof. Dr. Joerg Andres, ist
Geschäftsführer und Partner der DR. ANDRES Rechtsanwaltsges. mbH in
Düsseldorf

Foto: © Erik Spilles