Timo Boll ist der erfolgreichste deutsche Tischtennisspieler der Geschichte und gehört mit seinen 41-Jahren nach wie vor zur Weltspitze im Tischtennis. Im TradeTalk-Exklusivinterview verrät der Ausnahmesportler was ihn antreibt, woher seine Gelassenheit kommt und berichtet von seinem unglaublich trainierten Sehvermögen.
Wir haben gelesen, dass Sie anhand des Logos auf dem Tischtennisball erkennen können, welchen Spin er hat. Stimmt das?
Timo Boll: Ja, ich erkenne den Stempel auf dem Ball, weil ich mich extrem darauf konzentriert habe. Dadurch habe ich auch den Augenmuskel sehr stark trainiert und habe mittlerweile ein dynamisches Sehvermögen von 280 %. Der höchste Wert der jemals gemessen wurde.
Vor Corona waren Sie sehr oft in China, um zu trainieren. Sie sind dort ein Superstar, werden überall erkannt und sind einer der populärsten Deutschen. Ist das sehr anstrengend?
Das Leben für mich in China ist schon sehr anstrengend. Da ich ein sehr zurückhaltender Mensch bin, ist die große öffentliche Bühne nicht einfach, aber ich hab mich über all die Jahre daran gewöhnt und genieße es auch zeitweise. Allerdings bin ich auch immer sehr froh wieder dieses normale Leben in Deutschland führen zu können.
…und wie ist das in Deutschland?
In Deutschland ist es wesentlich angenehmer. Ich glaube es ist eine schöne Ballance zwischen der Popularität in China und dem relativ normalen Leben hier in Deutschland.
Was muss passieren, damit Tischtennis in Deutschland noch populärer wird?
Tischtennis muss natürlich vielmehr in die TV Medien. In China ist Tischtennis natürlich Volkssport, aber auch mit die größte Mediensportart. Ich glaube Tischtennis an sich ist eine attraktive Sportart. Allerdings müsste sich ein Fernsehsender der Sportart richtig annehmen und beispielsweise viele Hintergrund-Infos über die Spieler-Persönlichkeiten herausstellen. Zudem benötigen wir regelmäßige Übertragungen von allen Turnieren und Bundesliga /Champions League Spielen.
Sie haben unglaublich viel erreicht. Sie sind der erfolgreichste deutsche Tischtennisspieler, nahmen an sechs Olympischen Spielen teil, seit 2007 spielen Sie für den deutschen Rekordmeister Borussia Düsseldorf. Seit einem Vierteljahrhundert spielen Sie Tischtennis auf sehr hohem bis höchstem Niveau. Seit dem vergangenen Jahr dürfen Sie sich auch noch ältester WM-Medaillengewinner aller Zeiten nennen. Wie schaffen Sie es sich immer wieder zu diesen Höchstleistungen zu motivieren und das harte Training durchzuhalten?
Es ist nicht schwer für mich, mich zu motivieren, da ich das mache, was ich liebe. Das Hobby zum Beruf zu machen ist das Schönste was einem passieren kann. Das versuche ich mir auch immer wieder bewusst zu machen. Zudem habe ich auch Angst vor dem Punkt aufhören zu müssen. Von daher genieße ich jeden Moment solange ich dies noch kann.
Sie wirken in Ihren Spielen auch unter höchstem Druck immer sehr gelassen. Ist diese Gelassenheit angeboren oder kann man das trainieren?
Auf der einen Seite bin ich ein gelassener Typ und war das auch von klein auf. Auf der anderen Seite hab ich einfach auch Spaß daran Wettkämpfe zu spielen. Ich habe keine Angst zu verlieren, sondern versuche einfach das Beste aus mir rauszuholen.
Bei all Ihren Erfolgen. Gibt es für Sie sportliche Vorbilder?
Ich habe jetzt keinen einzelnen Sportler oder Persönlichkeit, die ich direkt vergöttere. Ich versuche eher mir das Beste aus allen Welten abzuschauen. Das kann Charisma sein, allgemeines Verhalten oder auch Kampfgeist.
Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg!
Timo Boll gewann in seiner bisherigen Karriere eine Vielzahl von internationalen Meistertiteln. 2003 war er zum ersten Mal Weltranglistenerster. Seit 20 Jahren spielt er in den Top 10 (mit kurzer Ausnahme 2004 und 2017, als er „nur“ zu den Top 15 gehörte). Im März 2018 rückte er zum vierten Mal an die Spitze vor und wurde damit zum bisher ältesten Weltranglistenersten. Seine bedeutendsten Erfolge waren der dritte Platz bei den Weltmeisterschaften 2011 und 2021 sowie der zweimalige Gewinn des Weltcups, bei dem er auch viermal Silber und zweimal Bronze gewinnen konnte. Die Europameisterschaft gewann er achtmal, das europäische Ranglistenturnier siebenmal. Im Doppel wurde er Vize-Weltmeister und fünffacher Europameister. Mit dem deutschen Nationalteam gewann Boll in Peking 2008 und Tokio 2021 olympisches Silber, Bronze in London 2012 und Rio de Janeiro 2016, siebenmal den europäischen Titel sowie fünfmal WM-Silber. Außerdem wurde er insgesamt sieben Mal Champions-League-Sieger mit dem TTV Gönnern (zwei Titel) und Borussia Düsseldorf (fünf Titel). Mehrere Male spielte Boll in den Sommermonaten in der chinesischen Superliga und gewann dort 2011 sowie 2014 mit seinen Teams den Meistertitel.
Timo Boll ist verheiratet und hat eine Tochter.
Foto: © Borussia Düsseldorf