Gastbeitrag von Prof. Dr. Michael Hüther
In der Corona-Pandemie zeigte sich eine ungeahnte Geschwindigkeit und Handlungsfähigkeit der Politik. Zur Eindämmung der Krise wurden staatliche Maßnahmen in beachtlichem Ausmaß getroffen. Zum einen kam es zu Einschränkungen der Freiheitsrechte und des öffentlichen Lebens. Zum anderen wurden Staatsausgaben stark erhöht, infolgedessen die Staatsschuldenquote von unter 60 Prozent nun auf über 75 Prozent ansteigt. Daneben griff der Staat auch zu weiteren, eher unkonventionellen Maßnahmen wie der Aussetzung der Insolvenzantragsfrist und staatlichen Beteiligungen bei Lufthansa oder CureVac. Insgesamt kommt es damit zu einer starken Expansion der Staatstätigkeit, die jedoch angesichts der Schwere der Krise auch aus ökonomischer Sicht angemessen erscheint. So schrumpfte die preisbereinigte Bruttowertschöpfung in Deutschland im zweiten Quartal 2020 um 11,3 Prozent, im Verarbeitenden Gewerbe sogar um 20,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Umsatz im Gastgewerbe brach um mehr als die Hälfte ein.
Trotz dieser Schnelligkeit waren die staatlichen Maßnahmen weitestgehend zielgerichtet. Kurzfristig halfen Kurzarbeitergeld, Kredite, Garantien und Soforthilfen, den Einbruch in der ersten Jahreshälfte zu überbrücken. Steuerlichen Maßnahmen wie die Ausweitung des Verlustrücktrags erhöhten die Solvenz und befähigten die Unternehmen, die Durststrecke zu überdauern. Nach Beendigung des Lockdowns galt es, Investitionen und Konsum schnell wieder anzuregen. Die Mehrwertsteuerentlastung um etwa 20 Milliarden Euro führte dazu, dass in ausgewählten deutschen Einkaufsstraßen im Juli 2020 rund 1,7 Millionen mehr Passanten unterwegs waren als im Vormonat. Sie brachte Kaufanreize für die Konsumenten und Entlastung für betroffene Unternehmen. Außerdem werden durch den beschlossenen Kinderbonus nach Berechnung des Instituts der deutschen Wirtschaft ca. 2,3 Milliarden Euro direkt konsumtiv wirksam. Doch es gibt auch Maßnahmen an denen Kritik geübt werden kann. Beispielsweise wird eine auf Elektroautos beschränkte Kaufprämie nicht der außerordentlichen Belastung der Automobilwirtschaft gerecht, zumal bei E-Autos die Auftragsbücher ohnehin gefüllt waren. Insbesondere die stark von der Krise betroffenen Zulieferer profitieren von der Kaufprämie nur in geringem Maße. Dennoch lässt sich festhalten, dass viele der Maßnahmen so gestaltet sind, dass die Krise vergleichsweise gut überstanden werden kann.
Das richtige Timing spielt aber nicht nur beim Einstieg des Staats in die Hilfen, sondern auch beim Ausstieg aus diesen eine wichtige Rolle. Einige Staatshilfen wie beispielsweise Kredite werden mit der konjunkturellen Erholung automatisch weniger nachgefragt. Andere Staatshilfen wie das verlängerte Kurzarbeitergeld oder Insolvenzantragsfristen sollten nicht überdehnt werden – um potenziellen Missbrauch zu verhindern und notwendige Bereinigungsprozesse nicht unnötig zu behindern. Um Insolvenzen von grundsätzlich profitablen Unternehmen zu verhindern wäre stattdessen eine anteilige Umwandlung von Corona-Krediten in Zuschüsse angebracht, um eine Pleitewelle bei Wiedereinführung der Insolvenzmeldepflicht zu verhindern. Insbesondere für die Staatsbeteiligungen braucht es einen Ausstiegsplan.
An anderer Stelle wäre ein längerfristiges Engagement des Staates hingegen wünschenswert: Die Corona-Krise hat gezeigt, dass die öffentliche Infrastruktur vielerorts mangelhaft ist – beispielsweise die Internetanbindung und digitale Ausstattung von Schulen. Öffentliche Infrastruktur kann eine zentrale Rolle dabei spielen, Transformationen und Innovationen in Unternehmen und Gesellschaft zu fördern, etwa durch bessere Anbindungen ans Schienennetz oder durch schnellere Internetverbindungen im ländlichen Raum. Corona-Krise und Strukturwandel fallen zusammen – hier könnte aus der Not eine Tugend gemacht und die dringend benötigte Sanierung der deutschen Infrastruktur auf den Weg gebracht werden. Insgesamt summierten sich die öffentlichen Investitionsbedarfe schon vor der Coronakrise auf rund 450 Mrd. Euro. Einiges davon kann durch die coronabedingten Investitionen abgedeckt werden. Einige Bundesländer haben schnell reagiert – in NRW steig beispielsweise der Anteil der Schulen mit schnellem Internetzugang, aber es bleibt noch viel zu tun. Deshalb ist es wichtig, dass nach den kurzfristigen Solvenzhilfen und Nachfragepaketen nun öffentliche Investitionen in den Fokus geraten, um aus der Krise herauszuwachsen.
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