Einen hochkarätigen Dialog erlebten die Gäste anlässlich einer „Trade Talk-Premiumveranstaltung“ im Wirtschaftsclubs Düsseldorf. Prof. Dietrich Grönemeyer und Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar tauschten sich darüber aus, was es bedeutet Mensch zu bleiben. Das „Wir“ stand im Fokus –  ein Thema das besonders Dietrich Grönemeyer sehr am Herzen liegt und über das er bereits ein bewegendes Manifest in Buchform veröffentlicht hat.

 

Zu Beginn stellte Ranga Yogeshwar gleich die entscheidenden Fragen: Wohin wollen wir als Gesellschaft? Und wie kann es gelingen, Menschen für Innovationen zu begeistern, die allen – der gesamten Menschheit – nützen? Der renommierte Wissenschaftsjournalist merkte kritisch an, dass Innovationen oftmals von einer weißen, reichen Minderheit entwickelt werden, die jedoch häufig nur einer ebenfalls weißen, reichen Minderheit zugute kommen. Als Beispiel nannte der studierte Physiker den Bereich der Handy-Apps. 30 Prozent der Einwohner der Mega-Citys hätten noch nicht einmal eine Anschrift, an die Amazon liefern könnte. Es fehle diesen Menschen am Nötigsten: Strom, Wasser oder sanitäre Einrichtungen. „Können wir auf Dauer eine Welt weitertreiben, in der Innovationen einer Minderheit, zu der auch wir gehören, hilft und anderen nicht?“ Es gäbe viele, die vergessen wurden, die von der Entwicklung ausgeschlossen sind. Das sähe man sehr deutlich an Phänomen wie dem Brexit oder der Wahl von Donald Trump. Es bestünde kein Konsens darüber, dass die Entwicklung stimmig sei. Und man müsse aufpassen, dass man nicht zunehmend von Unzufriedenen regiert würde, die Naturwissenschaften per se in Frage stellten, weil sie als nicht hilfreich für die eigene Existenz betrachtet würden.

 

Eine Frage der Haltung

 

Dietrich Grönemeyer plädierte dafür, Phänomene besser zu erklären. Viele verstünden zum Beispiel nicht, was eine Bandscheibe sei, dass es sich hierbei um ein psychosomatisches Organ handele, das auf Haltung reagiere. Das Wort „spine“ bedeute im Englischen nicht nur Wirbelsäule, sondern eben auch Haltung. „Wenn wir Angst haben, frustriert sind, gemobbt werden, fallen die Schultern nach vorn und wir rutschen in uns.“ Ein Ausdruck der Psyche, der sich körperlich bemerkbar macht. Über diese Zusammenhänge gälte es aufzuklären. Das wäre doch auch etwas, was Ranga Yogeshwar so gut beherrsche, spielte er den Ball mit einem Lachen zurück. Der Wissenschaftsjournalist führt seine Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge verständlich erklären zu können, darauf zurück, dass er sich selbst gut an Schwierigkeiten erinnern könne, die er selbst bei machen Themen gehabt habe. „Vermitteln heißt, auch empathisch zu sein, zu verstehen, wo der andere ist. Journalisten machen oft den Fehler, dass sie über Menschen reden, aber diesen Menschen gar nicht mehr spüren.“ Das ginge manchen Politkern und Ärzten auch so. „Dann stimmt die Kommunikation in der Gesellschaft nicht mehr und sie bricht auseinander.“

Dem konnte Dietrich Grönemeyer aus vollem Herzen zustimmen. Er spricht von der schweigenden Mehrheit. Keiner habe mit dem Brexit und der Wahl von Donald Trump gerechnet. Er moniert, dass keiner zuvor mit Trump oder der Opposition in Großbritannien geredet habe. Das sei unverständlich. Er machte sich für die Geisteswissenschaften stark, für eine fächerübergreifende Zusammenarbeit, denn gerade heute bräuchte man zur Erörterung ethischer Fragen die Geisteswissenschaftler. Und man müsse wieder lernen auf das Herz zu hören. „Wir alle spüren, dass die Seele im Herzen ist, aber ein Mediziner würde das verneinen.“

 

Mut zum Miteinander

 

Große Einigkeit herrschte bei dem renommierten Mediziner und dem Physiker darüber, dass es wichtig sei, alle Menschen an Entwicklung teilhaben zu lassen. Nicht nur in anderen Teilen der Weil, sondern auch in Deutschland gäbe es Kinder, die nicht genug haben. Das müsse schleunigst geändert werden. „Nicht nur aus Altruismus“, wie es Ranga Yogeshwar formuliert, „sondern aus Selbstschutz.“ Anderenfalls würde das System kippen, das hätte uns die Geschichte schon mehrfach gelehrt. Bei den Prognosen für die US-Präsidentschaftswahl hätten die Journalisten komplett danebengelegen. Ranga Yogeshwar vermutete dahinter keine Absicht, sondern vielmehr „blinde Flecken“, die es in Zukunft stärker zu reflektieren gälte.

 

Tendenz des „Schönredens“

 

Auch Dietrich Grönemeyer spricht von einer Tendenz des „Schönredens“ und mahnt an, dass wir alle nicht mehr gelernt hätten, richtig zuzuhören. „Vielleicht ist die andere Meinung die bessere“, sagt er und nannte als Beispiel seine Patienten. „Wenn ein Patient sagt, ich möchte keine Operation, ich bekomme das auch so hin, dann hat er damit vielleicht recht.“ Wichtig sei der Austausch. „Es kann nicht sein, dass ein Politiker sagt, mit dem rede ich nicht mehr. Wir müssen alle im Gespräch bleiben und den Mut haben das Miteinander zu gestalten. Wir müssen zuhören, auch wenn jemand etwas sagt, das wir nicht hören wollen. Auch das müssen wir akzeptieren. Es geht darum, ,Wir‘ zu sein.“

Nach diesem flammenden Plädoyer für ein mutiges Miteinander in der Gesellschaft, blieb für die zahlreichen Zuhörer reichlich Stoff für angeregte Diskussionen und vieles, über das sich nachzudenken lohnt.

Autorin: Dr. Eike Birck

Foto: (c) Stefanie Siegel