Megatrends in der Digitalisierung: Prof. Dr. Miriam Meckel verrät ihr Rezept, aus einem traditionellen Printprodukt ein schnelles und anspruchsvolles Fachmagazin zu kreieren.
„Das Marketing der Zukunft setzt auf die Kraft der Überraschung – Serendipity – als Gegenpol zur unaufhaltsam wachsenden Over-Customization“, benannte Prof. Dr. Miriam Meckel beim Clubabend des Marketing Club Düsseldorf die Herausforderungen für das Marketing im Zeitalter der Digitalisierung. Die 47-jährige Professorin für
Kommunikationswissenschaften, Journalistin und ehemalige Staatssekretärin für Medien steht vor der großen Aufgabe, das Printmagazin Wirtschaftswoche in das digitale Zeitalter zu transferieren und dabei die vorhandene Leserschaft mitzunehmen. Ein Thema, das in den vergangenen Jahren viele Lehrstücke für die Medienwelt bereit hielt und für das es noch immer keinen Königsweg gibt. Die Konkurrenz um Aufmerksamkeit und die Bedeutung von Qualitätsjournalismus im Rennen um Klickzahlen sorgen in klassischen Redaktionen auch heute noch für Stirnrunzeln.
Umso gespannter lauschten die rund 120 führenden Düsseldorfer Marketing-Experten dem Impulsvortrag der renommierten Kommunikationswissenschaftlerin und Chefredakteurin der Wirtschaftswoche zum Thema „Megatrends in der Digitalisierung“ in den Räumen des Wirtschaftsclub Düsseldorf.
Genauere Vorhersagen
Die drei Megatrends, die nicht nur für die Medienbranche sondern von der Industrie, über die Medizin bis hin zum Marketing aktuell die bekannten Grenzen des Möglichen aufbrechen, seien demnach mit den Schlagworten Big Data, Cloud Computing und Digital Enhancement zu bezeichnen. Obwohl die individualisierte Kundenansprache in der Marketingwelt schon seit langem ein heißes Thema ist, lassen technologische Sprünge und die wachsende Bereitschaft der Menschen ihre persönlichen Daten frei zu geben, immer genauere und treffsicherere Vorhersagen zum Userverhalten, zu den Interessen und Wünschen der Kunden, zu. „Wir befinden uns im Zeitalter des Zugangs, nicht des Besitzens“, bezog sich Meckel auf den Soziologen und Ökonom Jeremy Rifkin. Carsharing und Musik-Dienste sind hier bereits im Alltag angekommene Systeme. Durch die Entwicklung von Mega-Computern und Lösungen, die die Interaktion von Mensch und Maschine (M2M) ermöglichen, sind nicht nur im Bereich der Medizintechnik wahre Wunder möglich. „Durch die Zusammenlegung der Potenziale von Robotern, Computern, Daten und Menschen lässt sich die Produktivität in allen Bereichen der Wertschöpfungskette massiv verbessern“, so Meckel. Allerdings sei genau hierin auch ein großes Risiko zu sehen, denn wo der Roboter den Mensch ersetzt, entfallen Arbeitsplätze. „Der Mensch muss sich in seiner geistig-kreativen Fähigkeit neu erfinden, um auch in Zukunft gegen Roboter und Computer im Berufsleben bestehen zu können“, so ihre These.
„Always on“
Diese Entwicklungen der Digitalisierung und damit der Veränderung unserer Welt seien gleichermaßen „beängstigend wie beeindruckend“. Aus den großen Trends der Digitalisierung ergeben sich Herausforderungen, für die es gilt, einen Weg zu finden, mit ihnen umzugehen. „Always on“ zu sein verändert die Art, wie wir Nachrichten und Informationen konsumieren, wie wir arbeiten und wie wir in der analogen Welt mit unserer Umwelt interagieren. Die IT-Security, die Sicherheit unserer Daten, wird zukünftig ein sehr viel teureres Gut werden. Auch die Qualität von Informationen ist häufig nur schwer zu beurteilen. Wer entscheidet, welche Informationen wichtig sind und in Suchmaschinen hoch gerankt werden? Und ist eine Information richtiger, weil sie als erster Treffer in einer Suchanfrage erscheint? Hier schlug Meckel den Bogen zurück zu ihrem Produkt, dem Qualitätsjournalismus. Ob auf Papier oder Digital, der Journalismus wird sich in der Zukunft an das Userverhalten und die Nutzungsgewohnheiten anpassen müssen, was die Aufbereitung und Zugangsmöglichkeiten angeht. Aber ein Magazin wie die Wirtschaftswoche hat noch einen Bonus – die vierte Herausforderung: Serendipity – die Kraft der unerwarteten Überraschung. Das gelte eigentlich für alle Bereiche, die durch die digitale Vernetzung berechenbar und vorhersehbar sind und werden. In denen Algorithmen schon wissen, was wir wollen, bevor wir den Wunsch selber formuliert haben. Im Rennen um Kunden und Aufmerksamkeit wird Serendipity – die Überraschung, das Unerwartete – zum Erfolgsfaktor für das Marketing der Zukunft. Auf die Wirtschaftswoche bezogen heißt das: „Online finden wir die Information die wir suchen, analog werden wir gelegentlich auch überrascht von Themen, die wir nicht gesucht haben, die uns aber trotzdem fesseln und bewegen.“
von Angela Munkert